Mindestsicherung teilweise verfassungswidrig

Teile der burgenländischen Mindestsicherung sind verfassungswidrig, das hat nun der Verfassungsgerichtshof festgestellt. Die Deckelung von 1.500 Euro pro Haushalt und die Wartefrist werden aufgehoben.

Das burgenländische Mindestsicherungsgesetz wurde im März 2017 mit Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Teilen der Liste Burgenland im Landtag beschlossen - mehr dazu in Neuregelung der Mindestsicherung beschlossen. Die bisherige burgenländische Regelung sah eine Deckelung der Mindestsicherung pro Haushalt in der Höhe von 1.500 Euro pro Haushalt, unabhängig von der Haushaltsgröße und ohne einen bestimmten Mindestbetrag für hinzukommende Personen, vor. Selbst wenn die Lebenserhatlungskosten pro Person bei zunehmender Größe eines Haushalts abnehmen, sei pro weiterer Person ein Aufwand in einiger Höhe notwendig. Diese Bestimmung der Deckelung sei verfassungswidrig, das teilte der Verfassungsgerichtshof am Dienstag in einer Aussendung mit.

Deckelung und Wartefrist verfassungswidrig

Die Deckelung entsprach damit im wesentlichen dem niederösterreichischen Modell, das der Verfassungsgerichtshof bereits im Frühjahr aufgehoben hatte. Dies gelte auch für die Wartefrist: Wer sich nicht innerhalb der vergangenen sechs Jahre mindestens fünf Jahre in Österreich aufgehalten hat, erhält demgemäß der „Mindeststandards-Integration“ eine geringere Leistung. Diese Wartefrist führe, je nach Aufenthaltsdauer in Österreich innerhalb der letzten sechs Jahre, zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung österreichischer Staatsbürger untereinander.

Die Regelung sei auch bezüglich Asylberechtigter unsachlich, da diese ihr Herkunftsland wegen „wohl begründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden“, verlassen mussten. Asylberechtigte dürften daher nicht mit jenen gleichgestellt werden, denen es frei steht, in ihr Herkunftsland zurückzukehren, etwa EU-Bürger. Die Differenzierung der Höhe der Mindestsicherung nach der bloßen Aufenthaltsdauer in Österreich könne auch nicht mit einem Anreiz zur Arbeitsaufnahme begründet werden, da der bloße Aufenthalt im In- oder Ausland keinen Rückschluss auf die Arbeitswilligkeit einer Person zulasse, hieß es seitens der Verfassungsgerichtshofs.

SPÖ-Vertreter sprechen sich für Verbesserungen aus

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda und SPÖ-Landesparteivorsitzender Hans Peter Doskozil haben sich am Dienstag unisono für Verbesserungen des türkis-blauen Mindestsicherungsmodells ausgesprochen. Von den Kürzungen seien besonders Kinder und Menschen mit Behinderung betroffen, Personengruppen die besonders armutsgefährdet seien. Es sei in allen Bundesländern gleichermaßen sicherzustellen, dies zu vermeiden und bundesweit einheitlich und verfassungskonform zu regeln. Die SPÖ wolle daher eine Veränderung des vorgelegten Gesetzes, hieß es.

Darabos fordert bundesweite Lösung

Am Dienstag meldete sich dazu der zuständige Soziallandesrat Norbert Darabos (SPÖ) via Aussendung zu Wort. Der Spruch der Verfassungsrichter sei selbstverständlich zu respektieren und umzusetzen, so Darabos. Jetzt gehe es darum, dass es rasch zu einer bundeseinheitlichen Lösung bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung komme. Die burgenländische Landesregierung werde sich daher aktiv in den aktuellen Gesetzgebungsprozess einbringen und konstruktiv daran mitwirken, eine österreichweite Regelung zu finden, so Darabos.

FPÖ reagiert „gelassen“

Es liege jetzt ohnehin ein neues Grundsatzgesetz des Bundes auf dem Tisch, das den politischen Zielsetzungen der FPÖ gerecht werde, so FPÖ-Klubobmann Geza Molnar. Es gebe da auch keine Hürden, was die Umsetzung auf Landesebene betreffe. Das burgenländische Modell wäre ohnehin strenger gewesen, als das, was die Bundesregierung nun plane. Wenn die SPÖ Spielräume nutzen wolle, dann habe man damit kein Problem. Wesentlich sei, dass die Zuwanderung ins Sozialsystem minimiert werde und sich jene, die einer Arbeit nachgehen, nicht verschaukelt fühlen, so Molnar.

ÖVP: Sozialsystem zu attraktiv für Flüchtlinge

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs sei zur Kenntnis zu nehmen, teilte ÖVP-Landesparteiobmann Thomas Steiner in einer Aussendung mit. Dennoch gehe es darum, eine faire und nachhaltige Lösung zu finden. Es brauche eine Regelung mit dem Ziel, Sozialleistungen für jene zu reduzieren, die noch gar nicht ins System eingezahlt hätten. Das österreichische Sozialsystem sei derzeit zu attraktiv für Flüchtlinge und Migranten, so Steiner. Die Mindestsicherung soll als Überbrückung für Personen ins schwierigen Situationen dienen, doch für viele sei sie zu einem bedingungslosen Grundeinkommen geworden, so Steiner. Es könne nicht sein, dass einmal mehr die Allgemeinheit belastet werde.

Grüne: Warnungen wurden ignoriert

Bereits vor dem Beschluss des Mindestsicherungsgesetzes im Frühjahr 2017 hätten die Grünen Burgenland davor gewarnt, dass einzelne Passagen des Gesetzes verfassungswidrig seien. Im April habe man einen entsprechenden Antrag im Landtag eingebracht, um das burgenländische Gesetz zu reparieren, sagte Landessprecherin Regina Petrik. Die Warnungen seinen aber ohne lange Diskussion abgeschmettert worden. Nun hat der Verfassungsgerichtshof den Grünen recht gegeben, so Petrik.