Gedenkjahr: Zeitzeugin erinnert sich
Die frühere Dorfwirtin Stefanie Hartter aus Jabing (Bezirk Oberwart) erlebte harte Zeiten, die von großen Entbehrungen geprägt waren. Mit 92 Jahren ist sie aber im Rückblick auf ihr Leben glücklich und zufrieden, wie sie ORF-Burgenland-Redakteur Erich Schneller im Interview erzählte.
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Wenn Stefanie Hartter im Nähkästchen der Erinnerungen kramt, ist ihr Kater Leopold stets an ihrer Seite. Die ehemalige Wirtin, deren Küche weithin bekannt und beliebt war, verbringt den Lebensabend im Haus ihrer Tochter. Eine zentrale Rolle in ihrer Kindheit spielte ihr Vater Gustav Wagner.
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Vater erlitt schwere Kriegsverletzung
Mit 18 Jahren musste Wagner als Soldat im Ersten Weltkrieg einrücken. Schon im ersten Gefecht verlor er ein Auge. Trotz dieser Kriegsverletzung betrieb ihr Vater die kleine Landwirtschaft mit vollem Einsatz, erinnert sich Harrter. Der Familie fehlte es an nichts, auch in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise.
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„Roma stets in Familie willkommen“
Ihre Schulbildung erhielt Stefanie Hartter in der örtlichen Volksschule. An Hauptschule sei damals aus finanziellen Gründen nicht zu denken gewesen. Zu dieser Zeit gab es in Jabing auch Romakinder. Mit einigen ging sie in die Klasse. In ihrer Familie seien die Roma stets willkommen gewesen, erinnert sich die rüstige 92-Jährige. Auch wenn die Frauen in den 1930er Jahren immer häufiger um Schmalz, Kartoffeln und Fleisch gekommen seien. Eines Tages wurden die Roma dann deportiert.
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„Sie haben noch gewunken“
Stefanie Hartter erinnert sich noch heute genau an die Deportation der Jabinger Roma
Sie seien auf einem Pferdewagen weggebracht worden. „Die haben gewunken und gelacht. Ich habe auch gewunken. Niemand hat sich gedacht, dass die Roma umgebracht werden“, so Hartter.
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Von den politischen Verwerfungen der 1930er Jahre habe sie als Kind nicht viel mitbekommen, erst die Machtübernahme durch die Nazis schlug sich dann auch im Ort und in der Schule nieder. „Wir haben einen sehr guten Lehrer gehabt. Der musste dann sofort weg“, erzählte Hartter.
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„Niemand hat sich getraut fernzubleiben“
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde in Jabing mit einem großen Umzug gefeiert.
Selbst die Kinder haben mit „Heil Hitler“ grüßen müssen, als die Bevölkerung auf das neue Regime eingeschworen wurde. „Dann hat es in Jabing einen Umzug gegeben. Niemand hat sich getraut fernzubleiben. Das war gefährlich damals“.
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Am Ende war der Vater zum Schanzen abkommandiert und erlebte das Martyrium der ungarischen Juden beim Bau des Südostwalls hautnah mit. Als Menschen entkräftet und für die Aufseher nutzlos geworden ins Grab geschossen wurden.
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„Sie wurden ins Grab geschossen“
Stefanie Hartters Vater erlebte die Gräuel beim Bau des Südostwalls direkt mit.
Als die Russen kamen, habe sich der größte Nazi des Ortes im Wald selbst erschossen. Damit sei diese unbarmherzige Zeit zu Ende gegangen. Doch das Leben war weiterhin ein Kampf. „Meine Schwiegermutter blieb mit vier kleinen Kindern mit 29 Jahren allein zurück. Sie hat alle Kinder durchgebracht“, erinnert sich die 92-Jährige.
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Hochzeit, Emigration nach Kanda
Stefanie heiratete den Jabinger Johann Hartter und ging bald darauf nach Kanada. Sechs Jahre später kehrten sie zurück ins Burgenland und übernahmen das Wirtshaus der Schwiegereltern. Nach und nach ging es bergauf, bis das Wirtshaus florierte. In den 1980er Jahren übernahm es der Sohn.
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Stefanie Hartter zog sich nach einem arbeitsreichen Leben zurück (Sendungshinweis: „Burgenland heute“, 17.05.2018).