A4-Drama: Ungarn hatte Schlepper im Visier

Nächste Woche beginnt in Ungarn der Prozess gegen das Schleppernetzwerks, das für den Tod von 71 Menschen in einem Kühl-Lkw auf der A4 verantwortlich sein soll. Die mutmaßlichen Täter waren laut einem deutschen Recherchenetzwerk bereits im Visier der ungarischen Polizei.

Die Ermittlungsbehörden in Ungarn hatten demnach die Telefone der wichtigsten Drahtzieher schon 13 Tage vor der tödlichen Fahrt abgehört. Aber die Daten wurden nicht rechtzeitig ausgewertet. In diesen Telefonaten vor der tödlichen Fahrt sollen Fahrer den Drahtziehern von klopfenden und schreienden Flüchtlingen berichtet haben. Einer soll fast panisch gesagt haben: „Die Leute machen das Auto gleich kaputt machen. Sie klopfen sehr stark.“ Sein Komplize soll am Telefon gesagt haben, er glaube, „dass sie keine Luft bekommen“ - das alles geht aus den Recherche- Ergebnissen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, die in Ermittlungsakte Einsicht nehmen konnten, hervor.

Gespräche wurden nicht rechtzeitig übersetzt

28 Fahrten - teils mit Kühl-Lkw - soll das Schleppernetzwerk um einen Afghanen und einen Bulgaren organisiert haben, mehrfach mussten demnach geschleppte Personen notärztlich versorgt werden. Ein ungarischer Staatsanwaltschaftssprecher sagte, die Gespräche hätten erst übersetzt und ausgewertet werden können, als die tragische Schleusung schon durchgeführt worden war. Es säße nicht dauerhaft ein Beamter am Kopfhörer, zumal die Fahrten in den Nachtstunden, abgewickelt worden seien, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Auch von der Todesfahrt gibt es Protokolle. In einem Telefonmitschnitt, der NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung im Original vorliegt, beklagt sich der Fahrer über die schreienden und klopfenden Flüchtlinge. Der afghanische Drahtzieher verbietet ihm darin, den Flüchtlingen Wasser zu geben, er solle weiterfahren und falls die Leute sterben, solle er sie in Deutschland im Wald abladen.

Ungarn: Keine Hinweise auf lebensgefährliche Transporte

Die Oberstaatsanwaltschaft des ungarischen Komitats Bacs-Kiskun erklärte am Donnerstag auf jeden Fall, es entspreche nicht der Realität, dass die Tragödie verhindert hätte werden können, wenn die ungarischen Behörden rechtzeitig die abgehörten Telefongespräche der Schlepper übersetzt und ausgewertet hätten. Zum Zeitpunkt der Anordnung des Abhörens der Telefongespräche habe es keinen Hinweis auf Menschenleben gefährdende Transporte gegeben, betonte die Oberstaatsanwaltschaft. Die Gespräche hätten außerdem erst im Nachhinein ausgewertet werden können.

Prozess beginnt nächste Woche

Die 71 Toten in dem Kühl-Lkw wurden am 27. August 2015 in einer Pannenbucht auf der A4 bei Parndorf entdeckt. Der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter beginnt am 21. Juni - mehr dazu in A4-Flüchtlingsdrama: Prozesstermin steht und A4-Flüchtlingsdrama: Anklage wegen Mordes.

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