Fall Marylin: Eltern plädieren auf „nicht schuldig“

In Eisenstadt begann am Mittwoch der Strafprozess gegen jene Eltern, die im Südburgenland ihr Baby, die kleine Marylin, schwerst misshandelt haben sollen. Die Eltern leugnen die Tat. Das Urteil wird für Donnerstag erwartet.

Der Strafprozess gegen Marylin in Eisenstadt stößt auf großes Medieninteresse. Bereits vor Prozessbeginn brach die Mutter im Blitzlichtgewitter der Kameras in Tränen aus. Auch als der Staatsanwalt die Anklage verlas und die zahlreichen Verletzungen aufzählte, kamen der Mutter die Tränen.

Am Beginn des Falles sei ein schwerst verletzter Säugling gestanden „und Beteiligte, die sich allesamt die Verletzungen nicht erklären konnten“, meinte Staatsanwalt Christian Petö zu Beginn der Verhandlung. Es habe sich jedoch schnell herausgestellt, dass nur die beiden Angeklagten für die Taten infrage kommen könnten.

Anwalt des Vaters fordert Freispruch

Sein Mandant habe die ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen, erklärte der Verteidiger des 25-jährigen Vaters, Andreas Jeidler: „Er hat es nie wirklich für möglich gehalten und sich auch nicht damit abgefunden“, dass dem Kind Derartiges zugefügt wurde. Auch einem Kinderarzt sei nichts aufgefallen, das auf bewusst zugefügte Verletzungen hingedeutet habe, argumentierte der Jurist.

Er denke, dass die Voraussetzungen für Strafbarkeit bei seinem Mandanten nicht vorlägen und dieser daher freizusprechen sei, sagte Jeidler. Der Schöffensenat werde eine „emotionale“ Darstellung der 23-Jährigen erleben, solle sich jedoch davon nicht beeindrucken lassen, erklärte der Jurist.

Petö von Schuld der Mutter überzeugt

Die 23-jährige Mutter habe bei Befragungen „permanent Lügen erzählt“ und auch falsche Anschuldigungen gegen ihre Mutter erhoben, die sie später wieder zurückgenommen habe. „Man könnte fast in Anspielung an einen Filmklassiker sagen: Lügen pflastern ihren Weg“, sagte Petö. „Das Unglaubliche ist, dass es in diesem Fall nicht so sein dürfte, dass der Mann derjenige ist, der diese Verletzungen verursacht hat“, erklärte der Ankläger: „In diesem Fall bin ich ganz fest davon überzeugt, dass es die Zweitangeklagte war.“ Während der Vater bei seinen ersten Angaben geblieben sei, habe die Mutter nachweislich versucht, Zeugen zu beeinflussen.

„Ich war eine schlechte Mutter“

„Ich war so eine schlechte Mutter“, sagte die 23-jährige Angeklagte bei ihrer Befragung und räumte zuvor ein: „Es tut mir so leid. Ich habe schon so viel gelogen, dass mir keiner mehr glaubt.“

Dem Anschein nach wollten ihr auch Staatsanwalt Christian Petö und der Schöffensenat nicht glauben - so auch die Behauptung, der 25-jährige Vater ihrer beiden Kinder hätte sie zehn bis 15 Mal geschlagen. „Und dann lassen Sie ihn alleine auf die Kinder aufpassen?“, wunderte sich nicht nur Petö. Die Angeklagte gab sich vor Gericht zwar als besorgte Mutter und brach des Öfteren in Tränen aus, dennoch verwickelte sie sich immer wieder - wie auch schon in den zahlreichen Einvernahmen - in Widersprüche.

Mutter beteuert, Kind nicht geschlagen zu haben

„Der Herr Staatsanwalt hat sich eingeschossen und mittlerweile einen Verbündeten gefunden“, meinte Werner Dax, der die Mutter des misshandelten Babys verteidigt. Er erlebe es zum ersten Mal in seiner 20-jährigen Berufspraxis, dass ein Mitangeklagter vom Staatsanwalt und vom Verteidigerkollegen derart angegriffen werde. Er müsse sich die Frage stellen: „Ist das ein faires Verfahren?“

Dax schilderte, wie er die Verteidigung der Mutter übernommen und anfangs den Eindruck gehabt habe, die 23-Jährige sage ihm nicht die Wahrheit. In einem zweiten Gespräch habe sie ihm dann sehr viel erzählt. Er glaube der Frau und sei zutiefst überzeugt, dass sie das Baby nicht geschlagen habe, sagte Dax.

„Was sie ganz sicher nicht war, ist eine gute Mutter“, meinte der Verteidiger. Die Angeklagte sei auch „ganz sicher schuldig, weggeschaut zu haben oder bewusst nicht hingeschaut zu haben“. Er glaube jedoch nicht, dass die Mutter die Schuld daran trage, dass ihr Kind derart schwere Verletzungen davongetragen hat.

Psychiatrischer Sachverständiger wurde befragt

Am Mittwochnachmittag sagten weitere Zeugen aus, darunter auch ein Psychiatrischer Sachverständiger. Er bezeichnete die Ehe der Beklagten als „problematische Partnerschaft zweier unsicherer Menschen mit diametralen Persönlichkeiten“. Der 25-jährige Vater habe eine unterwürfige Persönlichkeit, die bedingt durch seine Drogensucht - der Mann ist in einer Drogenersatztherapie - zu depressiven Verstimmungen führt.

Mann war seiner Frau nicht gewachsen

Das Wohl seiner Kinder sei dem Mann aber sehr wichtig, sagt der Sachverständige. Er könne sich durchaus vorstellen, dass sich der Kindsvater liebevoll um Marylin und ihren älteren Bruder Travis gekümmert habe. Der Angeklagte sei außerdem der stabilere Part in der Beziehung gewesen. Allerdings sei der Mann seiner ehemaligen Lebensgefährtin, der Kindsmutter, nicht gewachsen gewesen. Die 23-jährige Frau leide an einer Persönlichkeitsstörung, sie sei emotional instabil. Ein typisches Merkmal dieser Störung sei etwa unangemessene Wut, sagte der Sachverständige vor Gericht.

Im Gerichtssaal

ORF

Anklageschrift

Fall wurde 2012 bekannt

Der Fall war im Vorjahr bekanntgeworden und hatte für Entsetzen gesorgt. Das damals zwei Monate alte Mädchen hatte einen Schädelbruch, Gehirnblutungen und serienweise Knochenbrüche davongetragen. Seit September sitzen die jungen Eltern in Untersuchungshaft - mehr dazu in Nach Misshandlung: Eltern weiter in U-Haft. Sie hatten im südburgenländischen Limbach (Bezirk Güssing) gewohnt, ein paar Monate zuvor noch in der Steiermark. Bereits dort wurde die Familie von der Jugendwohlfahrt betreut.

Misshandlungen blieben zunächst unentdeckt

Die Mutter vernachlässigte ihr erstes Baby, einen Buben, der jetzt zwei Jahre alt ist. Von zu wenig Zuwendung ist in einem Bericht der Betreuer die Rede, von nicht altersgerechter Entwicklung. Den Umzug der Familie nach Limbach bewertet die Staatsanwaltschaft als „bewusst, um den Kontrollen der Bezirkshauptmannschaft Feldbach zu entgehen“. Im vergangenen Juli kam dann das Mädchen zur Welt. Die Jugendwohlfahrt der Bezirkshauptmannschaft Güssing war bei der Familienbetreuung eingeschaltet, die Misshandlungen blieben unentdeckt. Aufgeflogen ist das Ganze schließlich, nachdem die Großeltern die Mutter ins Krankenhaus schickten, weil das Baby ein geschwollenes Ohr hatte.

Schädelbruch, Arm- und Beinbrüche, Gehirnblutungen

Ihnen log die Mutter zunächst noch vor, sie bekomme in der Ambulanz erst nach dem Wochenende einen Termin. Nach der Untersuchung des Babys im Krankenhaus Oberwart, wo die Brüche unbemerkt blieben, wurde das Mädchen in die Universitätsklinik für Kinderchirurgie nach Graz gebracht. Dort wurde schließlich Anzeige erstattet. Röntgenbilder hatten einen Schädelbruch, Arm-und Beinbrüche sowie Rippenfrakturen gezeigt, das Mädchen hatte auch Gehirnblutungen erlitten - und überlebt.

„Heftige stumpfe Gewalteinwirkung“

In einem Prozessgutachten werden „schwerste Verletzungen als Folge heftiger stumpfer Gewalteinwirkung“ beschrieben. Die ältesten Verletzungen des damals acht Wochen alten Babys waren sechs Wochen alt, der Schädelbruch etwa drei Tage. Die Kleine und ihr älterer Bruder wurden bei Pflegeeltern untergebracht. Die Eltern - der Vater war drogensüchtig und deswegen in Behandlung - leugnen die Tat. Sie beschuldigen sich dabei gegenseitig. Die Staatsanwaltschaft sieht sie in der Anklage als „(...) einzig in Frage kommende Täter“. Dritte werden ausgeschlossen.

Ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe

Angeklagt sind die Eltern wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung. Die Strafdrohung: ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe. Die Mutter muss sich auch wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs beim Beziehen der Mindestsicherung verantworten und ist dazu geständig. Der Prozess wird zwei Tage dauern.