Urteile im A4-Prozess

Im Prozess gegen eine Schlepperbande wegen des Todes von 71 Flüchtlingen sind die vier Hauptangeklagten am Donnerstag in Kecskemet (Ungarn) zu jeweils 25 Jahre Haft verurteilt worden. Die Urteile sind nicht rechtskräftig, Staatsanwalt und Verteidiger berufen.

Das Gericht blieb damit unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten lebenslangen Haftstrafe. Die 71 Flüchtlinge - unter ihnen vier Kinder - waren im August 2015 an der A4 (Ostautobahn) bei Parndorf im Burgenland erstickt in einem Kühl-Lkw gefunden worden. Da sie auf ungarischem Staatsgebiet ums Leben gekommen waren, fand der Prozess gegen insgesamt 14 Angeklagte in der südungarischen Stadt Kecskemet statt.

Angeklagter im A4 Prozess

APA

Einer der Angeklagten im Gerichtssaal in Kecskemet

Haftstrafen für weitere Angeklagte

Die zehn weiteren Angeklagten wurden zu Haftstrafen zwischen drei und zwölf Jahren verurteilt. Gegen drei von ihnen war in Abwesenheit verhandelt worden, da sie für die Justiz nicht greifbar waren.

Bei den zu jeweils 25 Jahren verurteilten vier Hauptangeklagten handelt es sich um den mutmaßlichen Kopf der Schlepperbande, einen Afghanen, seinen Stellvertreter sowie die Fahrer des Lkw und eines Begleitfahrzeugs, drei bulgarische Staatsbürger. Sie sollen ihre Haft zum Teil unter verschärften Bedingungen verbüßen.

Doskozil: „Hätte mir Höchststrafe erwartet“

„Ich hätte mir an und für sich schon bei so einem Verbrechen die Höchststrafe erwartet“, sagte der damalige Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil.

„Natürlich ist die Rechtssystematik offensichtlich in Ungarn eine andere, aber durch das Urteil ist ja bestätigt, dass die Schuldfrage unbestritten ist“, meinte Doskozil. Von Enttäuschung könne man nicht sprechen. „Wichtig war, dass überhaupt die Täter gefasst worden sind, dass sie zur Verantwortung gezogen worden sind. Aber es ist ein bisschen eine Ernüchterung - sagen wir so.“

Plötzlich im Licht der Öffentlichkeit

Doskozil, der in der Zwischenzeit Verteidigungsminister (SPÖ) war und mittlerweile Landesrat im Burgenland ist, war aufgrund des Fundes plötzlich in das Licht der Öffentlichkeit gerückt. Dutzende Medienanfragen mussten beantwortet werden.

Seine heutigen Erinnerungen an den Fall? „Nachdem ich den Lkw nicht persönlich gesehen hatte und auch nicht die Situation vor Ort, ist mir besonders das Foto (das die 71 Toten im Lkw zeigt, Anm.) in Erinnerung geblieben. Außerdem erinnere ich mich an die Situation in Nickelsdorf, wo ja die eigentliche Amtshandlung stattgefunden hat, besonders zurück. Und ich erinnere mich an dieses Gefühl im Hinterkopf: Wie muss es den Menschen gegangen sein, als die bemerken, so zusammengepfercht: Jetzt ist es aus, jetzt ersticken sie. Das bleibt sicherlich immer im Kopf.“ Mehr dazu in Flüchtlings-Drama auf A4: Zwei Jahre danach.

650.000 Euro Prozesskosten

Bei den zehn weiteren Verurteilten handelt es sich um Männer, die unter anderem für die Beschaffung der Schlepperfahrzeuge und das Anwerben von Fahrern zuständig waren. Der Prozess in Kecskemet hatte vor einem Jahr begonnen - mehr dazu in A4-Drama: Erster Tag im Schlepperprozess. Die Kosten wurden vom Gericht mit 208 Millionen Forint (umgerechnet rund 650.000 Euro) beziffert.

Gekennzeichnet war das Verfahren streckenweise durch Verlesungen von Polizeiprotokollen, da die Angeklagten zunächst nicht zur Aussage vor Gericht bereit waren, und schließlich durch gegenseitige Schuldzuweisungen, Schreiduelle inklusive.

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